Ein Rückblick auf die COP30 in Belém
Erwartungen an die „Gerechtigkeits-COP“
Zehn Jahre nach dem Pariser Abkommen wurde die COP30 von der brasilianischen Präsidentschaft als Gerechtigkeits-Konferenz und als Implementierungs-Konferenz angepriesen – auch als „COP der Wahrheit“. Demensprechend hoch waren die Erwartungen, obwohl schon im Vorfeld klar war, dass es eine massive Klimaschutz-Lücke in den nationalen Klimazielen geben wird und auch kein großes Verhandlungsergebnis (wie das Klimafinanzierungsziel im letzten Jahr) auf der Agenda stand. Die Koordinierungsstelle hat sich in die Erarbeitung mehrerer Forderungs- und Positionspapiere im Vorfeld der Konferenz eingebracht (CIDSE, zentrale Katholische Akteur*innen und Allianz für Klimagerechtigkeit) und hat diese an verschiedene Verhandlungsparteien wie Österreich oder dem Heiligen Stuhl vorgebracht.
Gute Optionen nach ersten Verhandlungstagen vorhanden
Wie bei solchen Konferenzen üblich, startete die erste Verhandlungswoche langsam und sehr technisch. Allein, dass ein Start der Arbeit trotz großer Konflikte rund um zusätzlich eingebrachte Agendapunkte starten konnte, war dem diplomatischen Geschick der brasilianischen COP-Präsidentschaft zu verdanken, welche vier heiße Themen (Artikel 9.1 zur Bereitstellung von Klimafinanzierung, Nationale Klimaziele und Reaktion auf die Klimaschutz-Lücke, einseitige Handelsmaßnahmen wie den EU CO2-Grenzausgleichszoll und die Bearbeitung der Zweijahresberichte) aus den Verhandlungen herausnahm und separat behandelte – versehen mit dem starken Appell von COP Präsident Corrêa do Lago: „May each delegation ask not only what it can take home from Belém, but what it can contribute to strengthen multilateralism, to connect the climate regime to people’s daily lives, and to accelerate the implementation of the Paris Agreement.“
Es zeigte sich in den Verhandlungen und bis hin zum ersten Textvorschlag der Präsidentschaft neben Rückschritten auch einiges an guten möglichen Verhandlungsergebnissen: von einem Fahrplan zur Abkehr von fossilen Brennstoffen, über einen stärkeren Prozess zur Umlenkung schädlicher privater Finanzierung, bis hin zu einer Verdreifachung der Anpassungsfinanzierung bis 2030. Auch der von der Zivilgesellschaft geforderte Global Just Transition Mechanism wurde von den Staaten aufgegriffen und in die Verhandlungen eingebracht. Von der EU haben wir als Teil der europäischen Zivilgesellschaft zu diesem Zeitpunkt noch erwartet, dass sie in Belém die einzigartige Chance, sich als die globale Führungskraft zu positionieren, welche die Welt im Kampf gegen den Klimawandel dringend benötigt, ergreift. Denn die EU hätte die Mittel, die Macht und den Einfluss dazu, seriös an die Probleme heranzugehen und echte Solidarität zu zeigen, damit alle Länder ihre Klimamaßnahmen verstärken könnten. Dieser verhaltene Optimismus hat sich auch in der Berichterstattung der Kathpress niedergeschlagen: Kirchenexperte zieht verhalten positive Zwischenbilanz.
er Mechanismus für einen gerechten globalen Wandel
Als Hauptforderung der Zivilgesellschaft und schließlich auch als großer menschenrechtlicher Erfolg dieser Konferenz hat sich der Just Transition Mechanism durchgesetzt. Seit Monaten von der Zivilgesellschaft als „Belém Action Mechanism for Global Just Transition“ (kurz: BAM) entwickelt und bei den Verhandler*innen bekannt gemacht, hat die Gruppe der G77+China – also eine riesige Gruppe an Entwicklungs- und Schwellenländern – den Mechanismus in die Verhandlungen eingebracht und später ist auch die EU mit einem eigenen Vorschlag nachgezogen. Im Vorfeld hatten sich schon über 1000 Organisationen mit einem gemeinsamen Brief an alle Staaten für konkrete Schritte für einen gerechten Wandel eingesetzt. Bei dem Mechanismus geht es darum, den Umbau unseres Wirtschaftssystems an den Menschenrechten und den Bedürfnissen der Bevölkerung auszurichten. Um den gerechten Wandel voranzutreiben benötigt es internationale Kooperation sowie die Verankerung von Prinzipien wie sozialer Dialog, Rechte sowie Inklusion aller relevanten Gruppen in nationalen Klimazielen und anderen Klimamaßnahmen.
Fossile Lobbyisten
Jahr für Jahr wird bei den Klimakonferenzen offensichtlicher, was sonst hinter verschlossenen Türen passiert ist: der Versuch enormer Einflussnahme auf die Klimaverhandlungen durch die Lobby der fossilen Industrie. Mit über 1.600 gezählten fossilen Lobbyist*innen hatte diese COP in Relation zu den Gesamtteilnehmenden die höchste Dichte an kontraproduktiven Interessensvertreter*innen – wie die Kampagne Kick Big Polluters Out feststellte.
Mit über 300 Personen war auch die industrielle Agrar-Lobby auf der COP30 nicht untätig. Schon im Vorfeld der Konferenz haben jedoch über 100 Organisationen – darunter auch die Koordinierungsstelle – in einem offenen Brief EU-Klimakommissar Hoekstra dazu aufgefordert, keine fossilen Lobbyist*innen in die Delegation der Europäischen Union aufzunehmen. Und das hat gewirkt: schon das zweite Jahr in Folge hat die EU-Kommission keine*n fossilen Lobbyist*innen mehr dabei. Anders sieht es leider noch bei manchen EU-Mitgliedsstaaten aus.
Daher hat sich die Koordinierungsstelle zum Anlass der COP30 mit dem Civil Society Pledge for Fossil Free Politics zum aktiven Engagement gegen den Einfluss fossiler Industrieinteressen auf die Klimapolitik verpflichtet. Und unter dem Titel #TheCOPWeNeed unterstützt die Koordinierungsstelle einen umfangreichen Reformplan für die UN-Klimaverhandlungen, welcher auch eine Conflict-of-Interest Policy vorsieht – schließlich darf es nicht sein, dass jene Interessen die internationale Klimapolitik gestalten, welche selbst am meisten von den Ursachen der Klimakrise profitieren.
Peoples‘ Summit – Cúpula dos povos
Sehr viel beeindruckender als die Verhandlungsergebnisse in Belém war jedoch die unglaubliche Menge an Menschen, die sich auf den Straßen, zu Wasser und in den alternativen Konferenzhallen zum Peoples‘ Summit und zum Klimamarsch versammelt hatten. In duzenden Veranstaltungen wurden die echten Klimaprobleme der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen angesprochen und Forderungen für die Deklaration des Gipfels ausgearbeitet. Der Protestmarsch in Belém brachte 70.000 Indigene, Quilombola, Fischer*innen, Jugendliche und Arbeitende sowie internationale Zivilgesellschaft zusammen. Auch in über 70 Städte in Europa gingen Menschen auf die Straße. Sie alle forderten, dass nicht Profite, sondern wir Menschen die Zukunft unseres Planeten formen sollen – gebaut auf Solidarität, Fürsorge und Gerechtigkeit. Damit zeigte diese Klimakonferenz weitab von dem diplomatischen Schlagabtausch in heruntergekühlten Verhandlungsräumen, dass die stärkste Kraft der Veränderung von den Menschen ausgeht, welche sich für eine klimasichere und gerechte Zukunft einsetzen.
Rolle der Katholischen Kirche
Auch die katholische Kirche hatte bei der Klimakonferenz im Land mit der größten katholischen Bevölkerung der Welt eine wichtige Stimme, wie hier bei einer Reflexion zur Rolle der Kirche bei der COP30 nachzulesen ist.
Konkrete Ergebnisse
Die tatsächlichen Ergebnisse der COP30, die weit hinter ihren Möglichkeiten zurück geblieben sind aber doch einzelne womöglich starke Sprösslinge für eine gerechtere Zukunft hervorgebracht haben, können hier als ein Erfolg für Menschenrechte aber keine Verbindlichkeit beim Klimaschutz nachgelesen werden.
