EU vertagt Entscheidung zu Glyphosat-Zulassung
Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker!
Sehr geehrter Herr EU – Ratspräsident Donald Tusk!
Sehr geehrter Herr EU – Agrarkommissar Phil Hogan!
Sehr geehrter Herr EU – Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis!
Die Zulassung des Pflanzengifts Glyphosat in Europa läuft Ende Juni aus. Die EU-Kommission will die Zulassung des umstrittenen Spritzmittels nun um 15 Jahre verlängern. Wir kritisieren diesen Antrag, der Anfang nächster Woche in Brüssel zur Abstimmung kommen soll. Eine Verlängerung wäre voreilig – ein fatales Signal einer verfehlten Agrarpolitik.
Aus Gründen der Vorsorge sollte die Zulassung von Glyphosat zum jetzigen Zeitpunkt nicht verlängert werden, denn in der Wissenschaft besteht immer noch Uneinigkeit über die Gefahren dieses Pestizids. Wir möchten, dass die Bewertungen der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) und der WHO-Pestizidexperten vom Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR) abgewartet werden. Diese Bewertungen werden in diesem Jahr vorliegen.
Die weitere Zulassung von Glyphosat hätte eine verheerende Signalwirkung auf die Entwicklungs- und Schwellenländer. Dort landet zehnmal mehr Glyphosat auf dem Acker als in Europa, vor allem auf den riesigen Sojaplantagen in Südamerika. Der Anbau von gentechnisch veränderter Soja ist nur mit Glyphosat möglich. Das Pestizid tötet alle Pflanzen ab, allein die gentechnisch veränderte Soja überlebt die Spritzung. Von Projektpartnern aus Brasilien und Argentinien wissen viele Entwicklungsorganisationen, dass dort die Felder bis zu 18mal im Jahr mit Glyphosat besprüht werden, oft aus dem Flugzeug. Die Bevölkerung ist dem schutzlos ausgeliefert. In diesen Sojagebieten gibt es dreimal so viele Krebsfälle bei Kindern wie in den Gebieten ohne Sojaanbau. Würde sich die EU für intelligentere Lösungen der Unkrautbekämpfung stark machen, wäre dies auch in den Entwicklungsländern ein wichtiges Signal für mehr Agrarökologie und Gesundheitsschutz.
Als Glyphosat vor rund 40 Jahren als Unkrautvernichtungsmittel auf den Markt kam, wurde ihm weitgehende Unbedenklichkeit für Mensch und Umwelt bescheinigt. Doch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse lassen daran zweifeln. Zum einen geben eine Reihe von Umweltauswirkungen - wie u.a. Schädigung von Mikrorganismen, Würmern und Amphibien - Anlass zur Sorge, zum anderen wächst die Zahl an wissenschaftlichen Publikationen, die Glyphosat eine hormonelle Wirkung attestieren. Zahlreiche Untersuchungen und epidemiologische Studien weisen auch auf eine fruchtschädigende Wirkung des Herbizids hin. Die Sicherheit von Glyphosat hätte auf EU-Ebene bereits 2012 neu bewertet werden sollen, aber die Prüfung wurde auf 2015 verschoben. Weltweit steigen nicht nur die eingesetzen Mengen rasant an, auch die Anwendungsformen werden immer vielfältiger. So beschränkt sich der Einsatz von Glyphosat schon seit Jahren nicht mehr auf das Totspritzen von „Unkräutern“, denn zunehmend wird Glyphosat auch zum Totspritzen von Getreide, Mais, und Soja unmittelbar vor der Ernte verwendet, was Pestizidrückstände am Ernteprodukt bedingt.
Glyphosat ist das weltweit am meisten verkaufte Pestizid. Es wird sowohl in der Landwirtschaft als auch in privaten Gärten sehr häufig verwendet. Etwa 40 Prozent der Ackerfläche werden in Österreich mit glyphosathaltigen Pflanzengiften behandelt. Das Pestizid befindet sich nicht nur im Boden, sondern auch im Wasser und in der Luft und gefährdet die biologische Vielfalt. Das Mittel ist seit langem umstritten. Umweltschützer halten den Wirkstoff für hochgiftig und fordern seit Jahren ein Verbot. Während die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft, sehen Aufsichtsbehörden in Österreich und der EU keine Gesundheitsgefährdung.
Aktuelle Tests durch das Umwelt-Netzwerk Friends of the Earth haben nun Glyphosat im menschlichen Körper nachgewiesen. 182 Urinproben von Menschen aus 18 europäischen Ländern wurden in einem unabhängigen Labor in Deutschland auf Glyphosat und seinen Metaboliten AMPA untersucht. In 45 Prozent aller Proben wurde Glyphosat nachgewiesen, in Malta in 90 Prozent der Proben, in Mazedonien in 10 Prozent. Österreich liegt mit 30 Prozent belasteter Harnproben im unteren Drittel.
Wir bitten Sie, setzen sie sich für die Vertagung der Entscheidung, bis die Bewertung der ECHA, der WHO und der JMPR vorliegen.
Mit herzlichen Grüßen Heinz Hödl
Heinz Hödl
KOO Geschäftsführer
CIDSE Präsident