Klima-Zwischenkonferenz SB62 und die (private) Klimafinanzierung
Auf der Zwischenkonferenz SB62 in Bonn wurde die nächste UN-Klimakonferenz COP30 in Belém, Brasilien vorbereitet. In zwei Wochen Verhandlungen (erstmals ohne Beteiligung der USA) wurden Texte mit vielen (auch äußerst konträren) Optionen für Entscheidungen durch die Politik im November erarbeitet. Manche Verhandlungsbereiche sind dabei schon recht weit gekommen – wie das Just Transition Work Programme, der Gender Action Plan oder die Indikatoren des Global Goal on Adaptation – bei anderen Bereichen konnten sich die Verhandler*innen der fast 200 Staaten auf fast gar nichts einigen – wie bei den Nationalen Anpassungsplänen oder dem Mitigation Work Programm. Detaillierte Analysen der Ergebnisse finden sich im neutral gehaltenen Earth Negotiations Bulletin oder viel kritischer bei CAN International.
KOO-Mitarbeiter Martin Krenn aus Bonn: "Hier möchte ich auf einen Aspekt der Verhandlungen eingehen, welcher allem anderen immer wieder in die Quere kommt: die Finanzierung des Klimaschutzes, der Anpassung und der Schäden und Verluste. Nach dem wichtigen – und für die ärmsten Länder äußerst enttäuschenden – Beschluss des internationalen Klimafinanzierungsziels (NCQG) von 300 Milliarden USD bis 2035 letzten November auf der COP29 in Baku, waren in Bonn keine Verhandlungen zur Finanzierung angesetzt. Jedoch stand die sogenannte „Baku to Belem Roadmap“, die einjährige Begleiterin des Jedoch stand die sogenannte „Baku to Belem Roadmap“, ein einjähriger Begleitprozess zur Übersetzung der auch im NCQG angestrebten 1,3 Billionen USD an Finanzflüssen auf dem Programm. Diese Konsultation der brasilianischen COP-Präsidentschaft entpuppte sich als Vorlesung über die Vorzüge von privatwirtschaftlichen Instrumenten und privater Finanzierung für alle Klimamaßnahmen und stand damit in haarsträubendem Gegensatz zur von vielen Staaten und der Zivilgesellschaft erwarteten Konsultation über die Maßnahmen zur Erreichung der notwendigen finanziellen Unterstützung für Entwicklungsländer auch für Anpassung sowie Schäden und Verluste."
Dasselbe „Schicksal” ereilte auch den fünften Dialog zur Ausrichtung aller Finanzflüsse an einer treibhausgasarmen und klimaresilienten Entwicklung – dem sogenannten Artikel 2.1c des Pariser Klimaabkommens. Anstatt Maßnahmen zum Stopp von privater und öffentlicher Finanzierung von fossiler Energie und zu Möglichkeiten der Generierung frischer öffentlicher Finanzmittel für Klimamaßnahmen auf Basis des „polluter pays“-Prinzips (z.B. Übergewinnsteuern für fossile Konzerne, Vielflieger-Abgaben, Super-Reichen-Steuern) konzentrierte sich der Dialog auf „Risikominimierung“ (oder Gewinnsubvention) für Investor*innen in Klimageschäfte. Diese Investitionen sind für die Energiewende in vielen Ländern unbedingt notwendig, liefern jedoch keine Lösungen für den riesigen Bereich der Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel.
Gemeinsam haben diese beiden Diskussionen, dass private Finanzierung als Problemlösung für die große Lücke zwischen absolut notwendigen Klimainvestitionen in Ländern des Globalen Südens und den derzeit tatsächlich bereitgestellten Mittel von Industrieländern angepriesen werden – diese Lücke ist je nach Berechnung mehrere Billionen USD pro Jahr groß, Tendenz stark wachsend.
Das dieses Versprechen irreführend ist und private Finanzierung für internationale Klimamaßnahmen nur einen eingeschränkten Einsatzbereich hat zeigt unter anderem die von Oil Change International vorgestellte Publikation Private Fantasies, Public Realities: Why private finance isn’t delivering an energy transition and the case for public sector leadership (Presseaussendung). Selbst für die Energiewende leistet die private Finanzierung bei weitem nicht das, was Industrieländer versprechen. Zum einen können die öffentlichen Mittel aus dem Staatshaushalt bei weitem nicht so viele private Investitionen anregen („mobilisieren“), wie versprochen wird. Und zum anderen zeigt sich ein guter Mix aus öffentlichen Investitionen und politisch vorgegebenen Rahmen in vielen Situationen als viel wirkungsvoller für die Abkehr von fossiler Energie.
Die Notwendigkeit und das Potential für Klimainvestition durch die Dezimierung der zum Teil ungerechten Schuldenlast von Ländern des Globalen Südens hat während der Zwischenkonferenz das Dikasterium für integrale menschliche Entwicklung im Vatikan mit Jubilee 2025: remission of the ecological debt ins Zentrum gestellt. Darin wird die Verbindung der ökologischen Schuld mit der ökonomischen Schuldenlast dargestellt und finanzieller Schuldenerlass als ein Akt der wiederherstellenden Gerechtigkeit („restorative justice“) und ein Weg für neue Allianzen zur sozialen Gerechtigkeit zwischen den Menschen und für den Schutz der Schöpfung benannt. In der Publikation Climate Finance in the Jubilee Year hat die KOO gemeinsam mit CIDSE bereits davor von über 80 kirchlichen Organisationen unterstützte Anliegen zum Schuldenerlass für Klimamaßnahmen präsentiert. Auf eine von vielen Akteur*innen geforderte Reform der internationalen Schulden-Architektur und eine UN-Schuldenkonvention kann sich die direkt nach der Zwischenkonferenz startende vierte Financing for Development Konferenz (FfD4) in Sevilla trotz großer Bemühungen aufgrund des Widerstanden von Industrieländern wie der EU nicht einigen, wie Eurodad in Ambitious UN Financing for Development outcome derailed by global north erklärt.
Ein weiterer Schlüssel für die notwendigen Klimainvestition in allen Ländern dieser Welt sind gezielte Steuern und Steuergerechtigkeit. Das Tax Justice Network erklärt in Reassert tax sovereignty to unlock trillions for climate finance, dass das Hauptproblem nicht an fehlenden Finanzen für Klimamaßnahmen liegt, sondern in fehlender Selbstbestimmungsmöglichkeit über das eigene Steuersystem in Ländern des Globalen Südens. So würde eine minimale Vermögenssteuer für Super-Reiche sowie die Einhebung der bisher vermiedenen Steuern von internationalen Konzernen den Großteil der Klimamaßnahmen finanzieren und in vielen Ländern zusätzlich Milliarden USD für sozialstaatliche Maßnahmen bereitstellen. Dass fehlende öffentliche Finanzmittel der Industrieländer auch keine Ausrede für die Bereitstellung von ausreichenden internationalen Klimafinanzierungsmitteln im Kontext der kommenden COP30 sind, zeigen mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen gemeinsam in Tax Justice: The missing element on the road to Belem? auf. Oxfam wiederum berechnet das Potential einer globale Superreichen-Steuer und Fossil-Steuer schon bei Einführung mit der gewaltigen Jahressumme von 400 Milliarden USD in Rich polluter profits tax could raise up to $400 billion and help phase out fossil fuels. Und auch ein Großteil der Bevölkerung steht hinter Steuern für Kohle-, Öl- und Gaskonzerne um damit Klimaschäden zu bezahlen, wie die global angelegte Umfrage 8 in 10 people support taxing oil and gas corporations to pay for climate damages, global survey finds herausfindet.
Um die UN-Klimakonferenz im Amazonas zum Erfolg zu führen, muss neben der globalen aber gerechten Emissionsminderung, der beschleunigten Anpassung und dem Vorantreiben einer gerechten Transition für die von Klimamaßnahmen betroffenen Menschen und ihrer Arbeitsplätze vor allem auch der Zugriff auf die notwendigen finanziellen Mittel für die Klimamaßnahmen sichergestellt werden.
Die Baku to Belem Roadmap muss dazu die Bedeutung von öffentlicher Finanzierung klarstellen und quantifizieren – insbesondere für Anpassungsmaßnahmen sowie Schäden und Verluste und darlegen, wie und von wem die in Aussicht gestellten 1,3 Billionen USD für Entwicklungsländer bereitgestellt werden.
Die Arbeit zur Ausrichtung aller Finanzflüsse an einer treibhausgasarmen und klimaresilienten Entwicklung (Artikel 2.1c) muss fortgeführt werden und mit einer Reform des internationalen Finanzsystems (v.a. betreffend Kapitalkosten, Schulden, Steuern und Governance) sowie einem klaren Fokus auf das Ende von fossilen Brennstoffen (v.a. betreffend Förderungen, Besteuerung und Regulierung der privatwirtschaftlicher Investitionen) einhergehen.
Und natürlich müssen alle Staaten die getroffenen oder in Aussicht gestellten Finanz-Beschlüsse umsetzen, indem sie ihren internationalen Zusagen auch die entsprechenden nationalen Budgetbeschlüsse folgen lassen und die dafür notwendigen Steuern gemäß des „polluter pays“-Prinzips einführen.
Dass global mehr als genug Geld für die notwendige Transformation hin zu einer klimasicheren Zukunft für alle zur Verfügung steht, wird nicht nur von der Wissenschaft (z.B. IPCC) und der Zivilgesellschaft, sondern mittlerweile auch von ziemlich allen Staaten immer wieder dargelegt. Als globale Gemeinschaft müssen wir diese Mittel für eine rasche und gerechte Transformation unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems nutzen. Wofür, wenn nicht für die Rettung unseres Planeten und damit unserer eigenen Lebensgrundlage, sollten finanzielle Werte eingesetzt werden?