Klima- und Artenschutz nicht auf Kosten der Menschenrechte!
[PA, 19.05.2023] Angesichts der globalen Krisen steigt der Druck auf Staaten, Erfolge im Klima- und Artenschutz zu erzielen. Dies dürfe aber nicht in der Vertreibung von Menschen wie derzeit in Tansania münden, kritisiert die KOO aus Anlass des Internationalen Tags der Biodiversität am 22. Mai.
Aufgrund der Erderhitzung und des dramatischen Rückgangs der Biodiversität ist die Lebensgrundlage perspektivisch für ein Drittel der Weltbevölkerung gefährdet. Dies erhöht den Druck auf alle Staaten, wirksame Maßnahmen zum Klima-und Artenschutz zu setzen. Es sind auf multilateraler Ebene wichtige Meilensteine gelungen, etwa das Kunming-Montreal-Abkommen Ende 2022 zum Schutz der globalen Biodiversität, das eine Quote von 30 % Schutzgebiete an Land und zu Wasser festgelegt hat oder das Hochseeschutzabkommen. Doch schon jetzt ist in vielen Weltregionen offensichtlich, dass sich die Auseinandersetzung um Zugang zu Wasser, Land und anderen Ressourcen verschärft.
Dazu meint Anja Appel, Leiterin der KOO: „Wir müssen als Weltgemeinschaft bei der Umsetzung der international definierten Ziele wachsam sein, damit Klima- und Artenschutz nicht auf Kosten der Menschenrechte der lokalen Bevölkerung passiert, insbesondere indigener Gruppen.“ So beobachte man aktuell etwa in Tansania, wie die Regierung Angehörige der Massai gewaltsam aus deren Gebiet vertreibt. Die tansanische Regierung argumentiert, dass diese Völker eine Bedrohung für die Umwelt darstellen und dass der einzige Weg, die Natur zu schützen, darin bestehe, die Menschen in andere Regionen des Landes umzusiedeln. Aus Sicht der internationalen Partner*innen der lokalen Völker (in Österreich u.a. Welthaus Graz, Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar und KOO) basiert diese Argumentation auf einem falschen Verständnis von Naturschutz. Natur werde rein als Anreiz für den Elitetourismus und die kommerzielle Jagd bewertet. Sigrun Zwanzger von Welthaus Graz dazu: „Von Seiten unseres Solidaritätsnetzwerks gibt es große Bedenken, dass die Regierung die katholische Kirche, die vor Ort wesentliche Gesundheitsinfrastruktur bereitstellt, unter Druck setzt, diese Einrichtungen zu schließen. Damit gefährdet sie die medizinische Notversorgung sowie die Mutter- und Kinderbetreuung. Diese Maßnahmen der Regierung zielen bewusst darauf ab, die Menschen zur Abwanderung zwingen, da das Leben ohne grundlegende Dienstleistungen wie die Gesundheitsversorgung unerträglich wird.“
Wissenschaftlich ist die wichtige Funktion indigener Völker für den Natur- und Artenschutz lange belegt, wird aber von Seiten der jeweiligen Regierungen oftmals runtergespielt oder sogar ins Gegenteil verdreht. Allerdings wird der politische und ökonomische Druck auf die Staaten weiter steigen, in Klima- und Artenschutz Erfolge zu verzeichnen und zugleich die Bedürfnisse ihrer Bevölkerung abzusichern. Für die KOO wäre eine wichtige politische Konsequenz angesichts des wachsenden Konfliktpotentials eine Ratifizierung der ILO 169 Konvention zu indigenen Rechten durch Österreich. Denn dadurch würde die österreichische Position im internationalen Klima- und Artenschutz noch weiter fundiert und die Bewusstseinsbildung für die Auswirkungen wirtschaftlichen und politischen Handelns im Inland verstärkt.
Im Falle Tansanias unterstützen die österreichischen Organisationen die lokalen Partnerorganisationen vor Ort dabei, Öffentlichkeit für ihr Anliegen zu generieren. Ende Mai ist jetzt der Besuch einer hochrangigen Delegation von Massai-Vertreter*innen in Europa avisiert, um internationale Unterstützung für die Beendigung der anhaltenden Zwangsvertreibungen und Menschenrechtsverletzungen gegen das Volk der Massai in Tansania zu gewinnen. Die Delegation wird Deutschland, Österreich und die EU-Zentrale in Belgien besuchen, um ihre Bedenken vorzubringen.