
Menschenrechtsdebatte: Sozialethiker sieht populistisches Kalkül
Scharfe Kritik an der aktuellen Debatte über eine "Weiterentwicklung" oder Veränderung der Europäischen Erklärung der Menschenrechte (EMRK) hat der Innsbrucker Sozialethiker und Pax Christi Österreich-Präsident Wolfgang Palaver geübt. In der Debatte, die sich letztlich an der Frage des Umgangs mit Asylwerbern und Migranten entzündete, sehe er "fast nur innenpolitisches Kalkül" und ein Spiel mit dem Feuer, sagte Palaver im Interview mit Kathpress. "Die Menschenrechte sind die tragende Stütze unserer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung. An ihnen zu rütteln, bedroht unsere Gesellschaftsordnung." Wer von einer "Weiterentwicklung" spreche, meine damit keine Stärkung, sondern eine Schwächung dieses Fundaments.
Die Menschenrechte stellten eine "bleibende Grundlage" der demokratischen Rechtsordnung dar - veränderbar und weiterentwickelbar indes seien konkrete, sich daran messende Gesetze und Maßnahmen: "Im Blick auf die aktuelle Diskussion, wie mit Flüchtenden und Migranten umgegangen werden soll, gibt es Möglichkeiten, eine positive Richtung für möglichst alle anzustreben. Besonders wichtig wären hier Maßnahmen, die dem Zwang zur Flucht oder Migration entgegenwirken. Dazu gehören einerseits gezielte Entwicklungszusammenarbeit und andererseits der weltweite Kampf gegen die Klimakrise." Auch dürften sicherheitspolitische Erwägungen nicht gegen Menschenrechte ausgespielt werden: "Wer Sicherheit über die Menschenrechte stellt, wird über kurz oder lang auch die individuellen Grundrechte im eigenen Land gefährden."
Ein klares "Nein" kommt vom Sozialethiker auch im Blick auf die Debatte über die Abschiebung von straffällig gewordenen Asylwerbern: Menschenrechte seien universell und würden für alle überall gelten. "Wer in Österreich straffällig wird - ob Einheimischer oder Asylwerber - muss entsprechend der bei uns gültigen Rechtsordnung verurteilt und bestraft werden." Abschiebungen aus diesen Motiven heraus würden dem universellen Charakter der Menschenrechte widersprechen.
Wolle Europa seinen eigenen Ansprüchen gerecht werden, so dürfe "am Vorrang der Menschenrechte nicht gerüttelt werden", sagte Palaver abschließend. Politisch und gesellschaftlich müsse immer wieder verständlich gemacht werden, "dass die liberale Demokratie eine sie tragende Rechtsordnung braucht", die nicht zum Spielball von Befindlichkeiten werden dürfe. "Es braucht die ständige, niemals zum Abschluss kommende Bewusstseinsarbeit darüber, dass nur eine stabile, auf den Menschenrechten aufbauende Rechtsordnung, die Demokratie vor ihrer Selbstabschaffung schützt."
Quelle: kathpress