
Ordensmann erinnert an NS-Widerstand von Franziskanerpatres
Das Gedenken an die im NS-Regime ermordeten Franziskanerpatres P. Angelus Steinwender und P. Kapistran Pieller setzte erst in den 1980er-Jahren ein - "ein österreichisches Phänomen", wie Br. Adam Bergmann in der aktuellen Folge des Podcasts "Orden on Air" der heimischen Ordensgemeinschaften erklärte. Darin erzählt er vom Schicksal der Franziskanerpatres, die aktiven Widerstand gegen das NS-Regime leisteten und am 15. April 1945 von den Nationalsozialisten in Stein an der Donau erschossen wurden. Die primäre Ambition für ihren Widerstand sei aus ihrem Glauben heraus gekommen. Ihr Leben und Sterben sei eine "Ermahnung, es gar nicht erst zu solchen Regimen und Totalitarismen kommen zu lassen, weil das immer mit einem extrem hohen Blutzoll einhergeht", betonte Bergmann, selbst Franziskaner.
Sowohl Steinwender als auch Pieller unterstützten die "Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreichs" (AFÖ). Pieller diktierte etwa regimekritische Flugschriften, die Steinwender auf seiner Druckmatritze, die ihm als Provinzialrat zur Verfügung stand, vervielfältigte. Pieller stellte zudem eine Pistole für einen "handfesten Widerstand" zur Verfügung, wie Bergmann erzählte.
Im Sommer 1943 wurden die Mitglieder der AFÖ von der Gestapo verhaftet. Der Prozess hätte am 20. Juli 1944 stattfinden sollen - an dem Tag, an dem Stauffenberg das Attentat auf Hitler ausübte, wie die Ordensgemeinschaften informierten. Der Prozess wurde auf den 11. August verschoben. Dokumente bezeugen, dass bei der Urteilsverkündung der Gerichtssaal brechend voll war, wie die Ordensgemeinschaften mitteilten. Im Urteil wurde den 13 Angeklagten vorgeworfen, einer "Organisation mit habsburgisch-separatistischen Zielen" anzugehören. Pieller, Steinwender sowie vier weitere Mitangeklagte wurden wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zum Tode verurteilt.
Todesmarsch nach Stein
Nach der Urteilsverkündung wurden Pieller und Steinwender in die Todeszellen im Wiener Landesgericht gebracht. Es gab mehrfach Gnadengesuche für die zum Tode verurteilten Franziskaner, die jedoch abgelehnt wurden - unter anderem auch vom Wiener Erzbischof Theodor Kardinal Innitzer. Was danach folgte, bezeichnete Bergmann als "die schlimmsten Bluttaten auf österreichischem Boden gegen eine Zivilbevölkerung".
Als die Rote Armee im April 1945 vor den Toren Wiens stand, wurden Pieller und Steinwender zusammen mit 44 weiteren zu Tode verurteilten Gefangenen in der Nacht von 4. auf 5. April 1945 auf einen Todesmarsch von Wien über Stockerau und Maissau nach Stein geschickt. "Ein Pfarrer, der beobachtet hat, wie die Gefangenen durch die Straßen ziehen, wurde Zeuge von der Brutalität dieses Marsches. Die Bevölkerung wurde gehindert, zu helfen", berichtete Bergmann. Und: "Pieller und Steinwender haben sogar in dieser Zeit versucht, ihren Mitgefangenen Trost zu spenden."
"Kremser Hasenjagd"
Drei Tage, bevor Pieller und Steinwender im Gefängnis in Stein ankamen, war es dort zu einem Massaker gekommen. Als die Rote Armee immer näher rückte, bekamen viele Gefängnisse Befehle zur Räumung, nicht aber Stein, weswegen der damalige Direktor Heinrich Kodré am 4. April eigenmächtig die Freilassung von 1800 Häftlingen anordnete. "Unter den Gefängniswärtern fanden sich viele fanatische NSDAP-Mitglieder, die mit der Freilassung nicht einverstanden waren und diese Aktion als Aufstand bezeichnet haben. Woraufhin die SS und SA anrückten", fuhr Bergmann fort.
Die SS wollte die freigelassenen Häftlinge wieder zurückholen und eröffnete die Jagd auf sie, die als sogenannte "Kremser Hasenjagd" in die Geschichte eingehen sollte. Beim Massaker von Stein am 6. April kamen 284 Menschen ums Leben, darunter auch Direktor Kodré. Am 15. April wurden weitere 44 Personen, darunter Pieller und Steinwender, "brutal exekutiert", so Bergmann: "Die Gefangenen mussten paarweise in den Hof raustreten vor ein offenes Massengrab, das bereits ausgehoben war. Dort wurde das Urteil kurz verkündet und das Gewehrfeuer eröffnet. Ihre leblosen Körper wurden dann in dem Massengrab verscharrt."
Es gelte heute, "Lehren aus der Geschichte" zu ziehen, weil in Regimen Dinge möglich werden, die sonst undenkbar seien, wie Bergmann ausführte. In Regimen stünden "die moralischen und religiösen Überzeugungen auf dem Kopf" und "in einem absoluten Widerspruch zum Evangelium". In den 1980er-Jahren wurde damit begonnen, die Geschichte der beiden getöteten Franziskanerpriester aufzuarbeiten. Heute befinden sich Erinnerungsstätten in der Wiener Franziskanerkirche sowie im ÖCV-Haus in Wien. In Graz gibt es den "Johann-Kapistran-Pieller-Platz" mit Hinweistafeln.
Der Podcast "Orden on air" der Ordensgemeinschaften Österreich ist auf allen größeren Audioplattformen zu finden. (Infos: www.ordensgemeinschaften.at)