
Theologe Zulehner: Ein Papst kann nicht nur Freunde haben
Auf Papst Leo XIV. werden wie auf eine Projektionswand allerhand Erwartungen aus verschiedenen Richtungen von Kirche und Politik projiziert, die dieser unmöglich alle erfüllen könne. Darauf hat der Theologe Paul Zulehner zur Amtseinführung des neuen Kirchenoberhaupts hingewiesen. "Er wird seinen Beitrag leisten, so gut er kann, als moralische Autorität in der Welt", zeigte sich der bekannte Theologe am Sonntag im Rahmen der ORF-TV-Übertragung der Messe vom Petersplatz in Rom überzeugt. "Er kann die Herzen der Politiker und die Herzen der Menschen bewegen" - weitere Schritte müssten dann diese dann aber gerade im Politischen auch selbst setzen.
Leo XIV. sei allem Anschein nach ein guter Kommunikator, sagte Zulehner. "Aus seinem bisherigen Arbeitsumfeld heißt es: Er kann sehr gut zuhören, er urteilt nicht, sondern er spricht authentisch zu den Menschen." Leo sei eine andere Persönlichkeit als Franziskus. Gleichzeitig sei schon in den ersten Äußerungen des neuen Papstes deutlich geworden, dass Leo XIV. etwa die Kritik an einer ungerechten Wirtschaft wie sein Vorgänger in sich trage. So beklagte der Papst in seiner Predigt bei der Amtseinführung ausdrücklich die Folgen eines Wirtschaftsmodells, "das die Ressourcen der Erde ausbeutet und die Ärmsten an den Rand drängt".
Dies bringe Leo XIV. schon jetzt in manchen Kreisen massive Kritik, erinnerte Zulehner. "Er spricht also die Herzen an, aber er irritiert auch. Ich fände das wirklich sehr gut, wenn er auch ein bisschen aufrüttelt und aufstört und Widerspruch erleidet", sagte der Theologe. Päpste, die nicht prophetisch seien, würden zwar von allen Applaus erhalten, aber im Grunde ihren Dienst verraten, so Zulehner. "Ein Papst, der nur Freunde hat und nicht auch Feinde, der hat sein Amt verfehlt."
Quelle: kathpress